Wenn die Not akut und die Steigerung der Ertragskraft zwingend wird, ist der Verhandlungsmarathon im Einkauf eines der Schlüsselinstrumente des Turnaround Managers um Liquidität zu schaffen und die Kosten nachhaltig zu senken.
Konfrontiert mit intensiviertem Wettbewerb und steigenden Kosten legen erfolgreiche Unternehmen ihren Handlungsfokus auf Massnahmen mit maximaler Cash-Wirkung. Mehr als 50% der Ausgaben des typischen Industrieunternehmens fliessen zu den Lieferanten. Nehmen wir aufgrund der Erfahrung an, dass in jedem Fall Materialkosteneinsparungen wenigstens 5% erzielbar sind. Das bedeutet, dass der Einkauf in den meisten Industrieunternehmen einen Beitrag zur Steigerung des operativen Resultates von mindestens 2,5% leisten kann.
Der traditionelle Ansatz der Einkaufsoptimierung orientiert sich am etablierten Einkaufsprozess mit langfristiger Perspektive, ohne aktiven Miteinbezug von CEO und den operativen Abteilungen. Um schnelle Resultate und eine tiefgreifende Verbesserung der Ertragsfähigkeit zu erreichen, orientieren sich ertragswirksame Verbesserungsprogramme am Turnaround-Ansatz. Dieser herausfordernde Ansatz verlangt dem Management Team allerdings wesentlich mehr ab als die klassische, durch die Beschaffungsabteilung geführte Einkaufsoptimierung.
- Im Turnaround setzt eine strikte Ausgabenkontrolle ein. Jeder Geldabfluss wird mit den Kriterien der Ertragsverbesserung beurteilt. Fokussiert wird auf Massnahmen, die beschleunigt auf die Verbesserung des Cash Flows hin wirken.
- Turnaround Programme sind CEO-Agenden. Sie nehmen die gesamte Führungsmannschaft und sämtliche Abteilungen in die Pflicht. Der CEO signalisiert durch persönliche Präsenz die Top Priorität der Initiative und leitet einen Kulturwandel ein. Das Management Team stellt sicher, dass die Abteilungen Hand in Hand bei der Entwicklung von Lösungen mitwirken und den Einkauf unterstützen.
- Das Projekt wird mit detaillierten Massnahmenplänen geführt. Das Erreichen der vordefinierten Key Results (Erfolgstreiber) wird in enger Taktung verfolgt. Das Projektteam schafft zusätzliche Dynamik und Transparenz in dem es die Koordination und das Massnahmentracking in den War Room der Restrukturierung integriert. Diese Offenheit und breite Abstützung verankert die Akzeptanz des Projektes auf allen Ebenen.
- Der CFO oder das Controlling dokumentieren die G&V-Wirkung zeitnah und thematisieren den Fortschritt in den Milestone Sitzungen.
Zum Start der Verbesserungsinitiative werden mit einer kurzen Potentialanalyse die Erfolgshebel und Prioritäten festgehalten. Darauf basierend wird das Projekt mit der Formulierung aggressiver Ziele, Schlüsselresultate und Massnahmenplänen strukturiert.
Im der ersten Phase werden diese Schlüsselresultate mit einem Verhandlungsmarathon realisiert. Verhandlungsmarathon heisst nonstop Produktkategorie um Produktkategorie transparent vorbereitet und durch verhandeln. Die Lieferanten werden in die Pflicht genommen einen Beitrag zur erfolgreichen Geschäftsbeziehung zu leisten und werden mit Konkurrenzangeboten konfrontiert. In diesem Marathon werden die Einkäufer nicht alleine gelassen. Das Vorgehen und die Verhandlungsführung ist ein Team Effort, in dem Konstruktion, Produktion und Vertrieb mitagieren. Der CEO stellt sich auch in der Aussenwirkung aktiv hinter das Projekt und signalisiert damit die Ernsthaftigkeit. Wichtige Verhandlungen sind ein Prozess, in dem abgesprochene Rollen zu spielen sind, damit optimale Resultate erreicht werden.
Mit dem Ziel das volle Potential auszuschöpfen, kommt das Unternehmen nicht um den Beizug externer Spezialisten herum. Der Interim-Geschäftsführer / CRO muss die Restrukturierung vorantreiben und die parallel laufenden Initiativen koordinieren. Der Verhandlungsmarathon verlangt für sechs bis neun Monate einen nicht zu unterschätzenden intensiven Einsatz. Der Externe fokussiert sich voll und ganz auf das Projekt und bringt wirksame Methodenkompetenz ebenso wie das notwendige Benchmark-Wissen der Branche mit.
Nach dem die ersten Erfolge realisiert worden sind, stellt sich im Unternehmen in der Regel eine sehr zuversichtliche Haltung zur Fähigkeit die Kostenpotentiale zu heben ein. Über die Verbesserung der Einkaufskonditionen (cost cutting) hinaus werden jetzt auch tiefgreifende Massnahmen zur Stärkung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit (value-based procurement) definiert. Der Interim-CEO / CRO initiiert ein ‚Out-of-the Box‘ Denken. Mit neuen Fragestellungen hilft er der Organisation eingefahrene Pfade zu verlassen. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Produkte durch Wertanalysen verändert werden, durch Einsatz eines Supplier Quality Engineers Produktivitätsverbesserungen im Herstellprozess der Lieferanten erreicht werden oder dass neue Lieferanten entwickelt und vom Kunden zertifiziert werden. Weil solche Änderungen in vielen Industriezweigen mit den Kunden abzustimmen sind, ist es die Aufgabe der Turnaround Managers, diese den Kunden vorzutragen und sie durchzusetzen.
Für jedes Turnaround Projekt sind ab dem zweiten Tag Massnamen zur nachhaltigen Absicherung des Erreichten zu treffen. Einkaufsoptimierungsprojekte zeigen signifikante Schwächen und Unterlassungen auf. Mit Ausnahme von Verletzungen der rechtlichen und moralischen Compliance sind diese immer als Lernanstoss für das Gesamte zu nutzen. Das Beschaffungsteam durchlebt eine Hands-on Weiterbildung in Methodik und Verhandlungsführung. Mit der neuen Konsequenz, der Verbindlichkeit und der Realisierung neuer Zusammenarbeitsformen entwickelt sich mit den Schlüssellieferanten eine engere und qualifiziertere Arbeitsbeziehung auf Augenhöhe.
Seit vierzehn Jahren führt René Bollier als Interims-Geschäftsführer und CRO (Chief Restructuring Officer) Projekte zur leistungswirtschaftlichen Restrukturierung und strategischen Repositionierung von produzierenden Unternehmungen mit besonderem Schwerpunkt in der Unterstützung von Familienunternehmen.
Bollier.biz GmbH, CH-8707 Uetikon am See